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Das Projekt

Wunsiedler Marmor - Geologie, Bergbau, Landschaft und Kulturgeschichte

Marmor wird seit jeher als ein besonderes Gestein betrachtet. Vielfach spielen dabei seine Reinheit, helle Farbe und gute Bearbeitbarkeit eine große Rolle. In der Antike war Marmor so einer der am meisten verwendeten Naturwerksteine – in der Bildhauerkunst ebenso wie in der Architektur. Kein Wunder, denn sowohl in Griechenland als auch in Italien ist dieses Gestein in der Natur nahezu allgegenwärtig.

In Deutschland kommt „echter“ Marmor dagegen nicht so häufig vor. Zwar beanspruchen viele Naturwerksteine die Bezeichnung „Marmor“ für sich, z. B. Treuchtlinger Marmor, Horwagen-Marmor oder Lahn-Marmor, doch handelt es sich dabei immer „nur“ um polierfähige Kalksteine, oft allerdings mit einem anspruchsvollen Dekor.

Das größte Vorkommen eines Marmors in Deutschland ist der Wunsiedler Marmor im Fichtelgebirge. Daneben gibt es Marmore auch in der Münchberger Gneismasse und besonders im Erzgebirge. Wie im Fichtelgebirge hatte der Marmor im Erzgebirge über Jahrhunderte hinweg große Bedeutung, u. a. als Branntkalk und Düngemittel, aber auch als Bildhauerstein (z.B. Crottendorfer Marmor). Dort baut man den Marmor bis heute an wenigen Orten noch ab, dies sogar untertage.

Im Fichtelgebirge ist der Marmorabbau, trotz der Größe des Vorkommens, heute nahezu zum Erliegen gekommen. Vielerorts zeugen von der Natur zurückgewonnene ehemalige Steinbrüche noch von der früheren Nutzung, an anderen Stellen sind ehemalige Abbaue verfüllt oder überbaut worden. Trotzdem ist der Wunsiedler Marmor Teil der regionalen Geschichte. Dazu trägt besonders auch seine frühere Bedeutung als Grabstein bei. So gibt es im Fichtelgebirge kaum einen Ort, in dem sich nicht die teils kunstvoll verzierten Grabsteinplatten (Epitaphe) aus dem Wunsiedler Marmor finden lassen. Diese sind nicht nur Zeugnisse der Bildhauerkunst. Die auf ihnen dargestellten Personen sind meist besonders herausgestellte Persönlichkeiten ihrer Zeit. Die „Leichentexte“ verraten häufig etwas über die Umstände ihres Todes oder Daten aus ihrem Leben. Besonders interessant und bereits früher Gegenstand eingehender Betrachtungen ist auch die Tracht der Verstorbenen.

Eng mit dem Wunsiedler Marmor zusammen hängt der über Jahrhunderte im Fichtelgebirge betriebene Eisenerz-Bergbau. Wie die Perlen einer Kette reihen sich die einstigen Bergbaureviere entlang des Marmorvorkommens aneinander. Durch den Einfluss der vor Jahrmillionen aus den Tiefen des Variszischen Gebirges aufdringenden Granite konnte sich im Marmor das Eisen anreichern. Die tertiäre Verwitterung der Eisenlagerstätten reicherte das Erz dann an manchen Orten nochmals an.

Und noch eine Lagerstätte verdankt dem Zusammentreffen des Marmors mit einem magmatischen Gangsystem seine Entstehung: die Specksteingruben zwischen Göpfersgrün und Thiersheim. Auch dieser mineralische Rohstoff hat nicht nur Industrie-, sondern auch regionale Kulturgeschichte geschrieben. Seiner Verarbeitung verdanken die Thiersheimer das inzwischen schon lange ausgestorbene Handwerk des „Kugelschaber“. Geblieben ist ihnen jedoch der Spitzname: „Schowa“ oder „Kuglschowa“.

Wirtschaftliche Bedeutung hat der Wunsiedler Marmors als Naturwerkstein oder mineralischer Rohstoff heute nicht mehr. Genauso wenig seine „Nebenprodukte“ wie der Speckstein und das Eisenerz. Nur zwei Betriebe bauen im Fichtelgebirge den Marmor noch ab, allerdings eher sporadisch. Das letzte Eisenerz-Bergwerk in Arzberg wurde 1941 stillgelegt, die berühmte Specksteingrube der Johanneszeche 2003. Geblieben sind jedoch und haben sich teils hoch spezialisiert einige Unternehmen, deren Anfänge auf den Wunsiedler Marmor oder den Speckstein zurückgehen, darunter z.B. die Firma CeramTec AG in Marktredwitz oder mehrere Mahl- und Mineralwerke.

Seine größte Bedeutung heute hat der Wunsiedler Marmor als wichtigstes Trinkwasserreservoir des Fichtelgebirges. Bis zu 290.000 Kubikmeter werden ihm jährlich allein an der Dengler-Quelle in Wunsiedel entnommen. Der Marmor versorgt aber nicht nur die Menschen mit lebenswichtigem Trinkwasser. Er ist für viele Pflanzen und auch Tiere ein wichtiger Nährstoffspender oder ist zumindest dafür verantwortlich, dass auf den kalkhaltigen und damit weniger sauren Böden die eine oder andere Pflanze überhaupt vorkommt. Oft sind Marmorstandorte sehr trocken, da Niederschlagswasser rasch im Untergrund versickert. Südhänge im Marmor zeigen daher häufig eine typische Trockenrasen-Vegetation.

Die „GEO-Tour Wunsiedler Marmor“ widmet sich mit fünfzehn Thementafeln an vierzehn Standorten den unterschiedlichen Facetten dieses vielfältigen Gesteins. Sie lädt dazu ein, sich mit den Besonderheiten des „kristallinen Kalks“ zu beschäftigen und dabei gleichzeitig auch die Region Fichtelgebirge zu entdecken. Alle Standorte können unabhängig voneinander besucht werden.

Allen, die sich nun auf Spurensuche nach dem Wunsiedler Marmor begeben, wünschen wir viel Freude daran.

Dr. Karl Döhler
(Landrat des Landkreises Wunsiedel im Fichtelgebirge und Vorsitzender des GEOPARK Bayern-Böhmen)

sowie alle an dem Projekt beteiligten Personen.



Logos Förderer

Die GEO-Tour Wunsiedler Marmor wurde gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) sowie das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, die Oberfrankenstiftung und den Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge.


Steinbruch Stemmas
Einer der beiden noch aktiven Steinbrüche im Wunsiedler Marmor: der Steinbruch Stemmas.


Bild Reliefbild
Das älteste bekannte Zeugnis aus Wunsiedler Marmor: Relief von 1444, heute eingelassen in die Außenwand der Stadtkirche St. Bartholomäus in Marktredwitz, früher Teil eines Bildstockes.


Bild Johanneszeche
Blick in die Johanneszeche zur Zeit des aktiven Abbaus (heute geflutet). © Berthold Weber, Weiden.


Bild Dengler-Quelle
Die Dengler-Quelle bei Wunsiedel im Jahr ihrer Inbetriebnahme 1929. © Stadtwerke Wunsiedel


Bild Kunstgarten
Der Standort der GEO-Tour Wunsiedler Marmor im Kunstgarten Tröstau